Elisabeth Bönte feiert 110. Geburtstag im St. Josefs-Haus





Ein langes Leben
Zwei Weltkriege hat Elisabeth Bönte miterlebt, so manchen Schicksalsschlag weggesteckt, aber den Lebensmut hat sie nie verloren. Im Gegenteil: Wenn die 110-Jährige aus ihrem langen Leben erzählt, dann blitzt in ihren Augen immer noch die Energie auf, mit der sie ihr Leben gemeistert hat. Erst mit 103 Jahren zog sie nach Albersloh ins St. Josefs-Haus ein, wo ihre Tochter Monika Dormuth-Bönte sie jeden Tag besucht. Die frischen Blumen auf dem Tisch erinnern sie an ihr Haus mit großem Garten in Marl – dort am Rande des Ruhrgebiets fühlt sie sich verwurzelt. In Deutschland ist sie aktuell der achtälteste Mensch.
Geboren wurde Elisabeth Bönte am 26. Februar 1915 in Osnabrück, aufgewachsen ist sie aber in Recklinghausen. Dort war ihr Vater am Amtsgericht tätig, geriet aber mit den erstarkenden Nationalsozialisten in Konflikt, verlor schließlich seine Arbeit und saß zeitweilig sogar in Haft. Die Kindheit endete für sie mit 14 Jahren: An einem berufsbildenden Internat in Luxemburg löste sie sich vom Elternhaus. „Es war eine schöne Zeit, wir waren voller Ideen“, erzählt sie. Doch die schwere Krankheit ihrer Mutter zwang sie, nach Recklinghausen zurückzukehren und ihre Mutter bis zu ihrem frühen Tode zu pflegen.
„Wenn man sich fragt, wie man es immer geschafft hat: Ohren steif und durch – so gut es geht“ Elisabeth Bönte
Ohne Berufsausbildung war es schwer für sie, eine Arbeit zu finden, zumal der Vater auf der „Schwarzen Liste“ der Nationalsozialisten stand und sich damit auch für sie viele Türen verschlossen. Als im Zweiten Weltkrieg die männlichen Arbeitskräfte knapp wurden, bewarb sich Elisabeth Bönte bei der Vestischen Straßenbahn und wurde nach bestandener Rechtschreib- und Rechenprüfung als Schaffnerin angestellt. Dienstbeginn: Am nächsten Tag, einem Sonntag, früh morgens.
Mit Vollbremsung ins Eheglück
„Es gab viele Unfälle“, erzählt Elisabeth Bönte. Weichen mussten noch von Hand umgestellt werden, und bei Fliegeralarm stand die Bahn auf freier Strecke mit den Fahrgästen unter den Sitzbänken. Ihrem späteren Ehemann fiel sie bei einem scharfen Bremsmanöver buchstäblich in die Arme. „Er fing mich auf, ich bedankte mich und er sagt: ,Macht ja nichts. Ich heirate Sie sowieso“, erinnert sich Elisabeth Bönte. Das erste Treffen fand bei einer Tasse Muckefuck statt, 1941 ging es mit ihrem Bernhard zum Standesamt. Die Hochzeit fiel kriegsbedingt spartanisch aus: Es gab ja nichts, und so brachten alle Gäste etwas mit.
1942 kam Töchterchen Elisabeth zur Welt. Ihren Vater sah sie viele Jahre nicht, weil er eingezogen wurde und sein Schicksal jahrelang im Ungewissen blieb. Erst sehr spät erfuhr die kleine Familie, dass Bernhard Bönte in russische Gefangenschaft geraten war und geschwächt von harter Arbeit und unwürdigen Lebensbedingungen durch Glück in ein Berliner Hospital gelangte. Eine Ordensfrau schickte schließlich den erlösenden Brief nach Hause, dass er lebt.
Überlebenskunst in der Nachkriegszeit
Die Nachkriegsjahre waren wie für die meisten Menschen im kriegszerstörten Deutschland karg. Die kleine Familie lebte in zwei Zimmern, 1949 kam Tochter Monika zur Welt. „Es war ärmlich, aber für uns Kinder war es ein Königreich“, erinnert sich Monika Dormuth-Bönte. Das Wenige, was es gab, wurde mit den Flüchtlingen aus dem Osten geteilt. Alle rückten zusammen. 1954 zog die Familie in das Haus der Schwiegereltern nach Marl. Der große Garten mit üppigen Blumen- und Gemüsebeeten half über die schwere Zeit. In jenen Jahren entstanden Freundschaften, die bis heute tragen. Elisabeth Bönte ist in der Nachbarschaft immer die „Omi“ gewesen, manche besuchen sie bis heute regelmäßig im St. Josefs-Haus.
In ihrem verschmitzten Lachen ist noch die junge Elisabeth Bönte zu erkennen, die Geselligkeit liebte, oft und gerne wanderte, ihren Garten pflegte, die Ernte einkochte, Kinderkleidung strickte und nie den Humor verloren hat. Zur Familie gehören zwei Enkelkinder und ein Urenkel. „Wenn man sich fragt, wie man es immer geschafft hat: Ohren steif und durch – so gut es geht“, lacht Elisabeth Bönte.